Erfolgreiche Verfassungsbeschwerden gegen behördliche und gerichtliche Praxis in Baden-Württemberg

In zwei von der Kanzlei Benesch & Partner geführten Verfahren hat der Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg in seinem gestrigen Urteil (AZ: 1 VB 98/19 und 1 VB 156/21) zugunsten der klagenden Automatenunternehmerin entschieden. Gegenstand der Verfahren war insbesondere die behördliche und gerichtliche Praxis der sog. Zäsur-Rechtsprechung und die Auswahlentscheidungen einer Kommune bei bestehenden Härtefallerlaubnissen. Aufgrund dieser sehr erfreulichen Entscheidung werden eine Vielzahl von Automatenunternehmerinnen und Automatenunternehmern die Möglichkeit erhalten, in den neu durchzuführenden Auswahlverfahren um ihre Existenz zu kämpfen.

Der Automaten-Verband Baden-Württemberg e.V. hat uns freundlicherweise seine, durch den Justiziar RA Tim Hilbert gefertigte, Ersteinschätzung zur Verfügung gestellt, die wir gerne mit Ihnen teilen:

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Verfassungsbeschwerden gegen verwaltungsgerichtliche Eilentscheidungen über die Einstellung von Spielhallenbetrieben erfolgreich

 

Liebe Mitglieder,

der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg hat heute (02.03.2023) in zwei aktuellen Verfahren den Verfassungsbeschwerden von Spielhallenbetreibern gegen die Umsetzung des Landesglückspielgesetztes stattgegeben (1 VB 98/19 und 1 VB 156/21) und zwei Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an diesen zurückverwiesen.

Die Verfassungsbeschwerden richteten sich u.a. gegen die vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entwickelte sogenannten „Zäsur-Rechtsprechung“, nach der im Falle einer Erlaubnislücke der Mindestabstand zu Kinder- und Jugendeinrichtungen (§ 42 Abs. 3 LGlüG) auch auf sog. Bestandsspielhallen angewendet wurde. Hierzu hat nunmehr der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg ausgeführt, dass für die Anwendung der Privilegierung der Altspielhallen nach § 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG (Ausnahme vom Mindestabstand zu Kinder- und Jugendeinrichtungen) kein gerichtliches Eilverfahren erforderlich ist. Alleine die Antragstellung vor Ablauf der glücksspielrechtlichen Erlaubnis bzw. vor Ablauf der Antragsfrist ist ausreichend.

Mit den vorliegenden Entscheidungen hat der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg damit zunächst die vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg herausgebildete „Zäsur Rechtsprechung“ korrigiert. Betreiber, die vor Ablauf erteilter (Härtefall)-Erlaubnisse einen Antrag auf Erteilung einer neuen glücksrechtlichen Erlaubnis gestellt haben, dürfen nicht unter Anwendung des Abstandsgebotes zu Kinder- und Jugendeinrichtungen (§ 42 Abs. 3 LGlüG) vom Genehmigungsverfahren ausgeschlossen werden.

Im Weiteren hat der Verfassungsgerichtshof die - lediglich in Baden-Württemberg praktizierte - vorrangige Prüfung von Härtefällen vor einem Auswahlverfahren als Verfassungsverstoß eingestuft und klargestellt, dass die Erteilung einer Härtefallerlaubnis die Behörde nicht von der Verpflichtung entbindet, dass verfassungsrechtlich gebotene Auswahlverfahren durchzuführen.

Insbesondere diese Korrektur der bislang - aufgrund der Vollzugshinweise des Wirtschaftsministeriums - praktizierten Priorisierung von Härtefällen wird zur Folge haben, dass eine Vielzahl laufender Verfahren durch die Behörden neu bewertet werden muss.

Zu den weiterhin offenen Fragen der Zulässigkeit von Auswahlkriterien zur Auflösung von Konkurrenzsituation zwischen konkurrierenden Spielhallen hat sich der Verfassungsgerichtshof bislang nicht geäußert. Diese Fragen werden aber kurzfristig ebenfalls Gegenstand von gerichtlichen Entscheidungen sein und für die Frage eines transparenten und nachvollziehbaren Auswahlverfahrens unabdingbar sein. Hierüber werden wir Sie selbstverständlich laufend informieren.

 

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Zudem stellen wir Ihnen gerne die Pressemitteilung und das Urteil des Gerichts zur Verfügung (LINKS).

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